Auslandssemester – Hype oder Personality Booster?

Auslandssemester – Hype oder Personality Booster?

Auslandsaufenthalte im Rahmen des Studiums erfreuen sich größter Beliebtheit – sowohl bei den Studierenden selbst als auch bei den politischen Entscheidungsträgern, die logistische und finanzielle Barrieren durch eine einheitliche Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse und besondere Förderprogramme (z.B. Bolognaprozess, Erasmus) bewusst senken. Das Erasmus-Programm von der EU ist das weltweit größte Förderprojekt und unterstützt Studierende bei Auslandsaufenthalten im europäischen Ausland. Damit zog es im Wintersemester 2008/2009 rund 23.400 deutsche Studierende hinter die Landesgrenzen, während es 2014/2015 bereits knapp 30.700 junge Menschen waren, die als Erasmus-Studierende ihre Heimatunis zeitweise verließen.

Doch lohnt sich die Investition in solch ein kostspieliges und aufwendiges Unterfangen? Da die Anerkennung im Ausland erbrachter Leistungen durch die Heimathochschule nicht immer 100% gesichert ist, kann ein Auslandssemester in manchen Fällen sogar dazu führen, dass sich die Gesamtstudienzeit verlängert.

Ob und inwiefern Auslandsaufenthalte die Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden berühren, wurde an der Universität Maastricht untersucht. Die statistische Schwierigkeit besteht darin, zwischen dem Effekt eines Auslandssemesters und der Selektion in ein ebensolches zu unterscheiden. Um diese Effekte sauber voneinander trennen zu können, wurden Studierende, die ein Auslandssemester absolvierten (Grafik links), mit jenen verglichen, die vorerst an der Universität Maastricht blieben und erst später ins Ausland gingen (Grafik rechts). Vor, während und nach dem betroffenen Studienjahr haben die Studienteilnehmer Fragebogen zur Persönlichkeit beantwortet. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Auslandssemester durchaus zu Veränderungen in der Persönlichkeit mit sich führt:

1. Kontrollüberzeugung (Locus of Control)
Unter Kontrollüberzeugung versteht man den Glauben daran, das eigene Leben selbst in der Hand zu haben. Das heißt, dass Menschen mit einer hohen Kontrollüberzeugung davon ausgehen, durch die eigenen Entscheidungen und den eigenen Einsatz einen maßgeblichen Einfluss auf den Lebensweg zu haben. Dieses Gefühl wird erwiesenermaßen durch einen Auslandsaufenthalt verstärkt. Schließlich sind die jungen Menschen dort in einer völlig fremden Umgebung weitestgehend auf sich allein gestellt. Durch die kleinen und großen Erfolgserlebnisse, in denen sie Herausforderungen des neuen Alltags meistern, entwickeln sie sowohl eine Hands-On-Mentalität als auch ein gesundes Selbstbewusstsein.

2. Emotionale Stabilität (Gegenteil von Neurotizismus)
Die emotionale Stabilität sorgt dafür, dass Menschen zum einen ausgeglichen und wenig sprunghaft auf Ereignisse im Leben reagieren und – fast noch wichtiger – sich von möglichen Misserfolgen nicht verunsichern lassen, sondern lösungsorientiert nach vorne blicken.

So zu denken und zu handeln wird im Rahmen eines Auslandssemesters besonders geschult. Schließlich erwarten Auslandsstudierende neben Abwechslung, Spaß und neuen Kontakten auch bürokratische Verpflichtungen, Wohnungssuche und Sprachbarrieren. Dass sie mit den Tücken des Lebens umzugehen lernen, steigert das Selbstwertgefühl und die Zufriedenheit.

Beide Faktoren, Kontrollüberzeugung und emotionale Stabilität, wirken sich gleichermaßen positiv auf das gesamte Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Darüber hinaus sind diese Veränderungen auch am Arbeitsmarkt gern gesehen: Der Gegenwert der Persönlichkeitsveränderung durch eine gesteigerte Produktivität beläuft sich auf gut 20.000€. Ein Auslandsaufenthalt hat also größere Folgen als man vielleicht anfangs denken mag.

Diese Ergebnisse zeigen, dass es durchaus sinnvoll ist, auf Auslandssemester im Studium zu setzen: Je mehr junge Menschen wertvolle Erfahrungen im Ausland machen, umso mehr sozial gebildete und psychisch gefestigte Menschen kommen wieder zurück und steigen besser vorbereitet ins Berufsleben ein. Aus diesen Gründen sei auch den Unternehmen in ihren Auswahlverfahren empfohlen, Studienzeiten, die im Ausland absolviert wurden, bei ihren Bewerbern als positiv zu bewerten.

Das passende Schlusswort überlassen wir in diesem Sinne Wilhelm Busch: „Drum, o Mensch, sei weise, pack die Koffer und verreise!“

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